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Virtual Reality (VR) ist auf dem Vormarsch und macht auch vor den Kampfkünsten nicht halt. Vor allem für die Selbstbehauptung und die Selbstverteidigung bietet sie einen interessanten Mehrwert. Die Fernsehleute Stefanie Vollmann und Klaus Geiges, beide Mitarbeiter des WDR in Düsseldorf, haben sich dem Thema angenommen und VR-Aufnahmen geschaffen, mit denen sich ganz neue Eindrücke erschließen. Im HOPLOblog-Interview sprechen sie darüber, wie man auf die Idee kommt, sich dem Ganzen von einem neuen Blickwinkel zu nähern. Das 360-Grad-Video gibt es übrigens auf YouTube – mit und ohne VR-Brille äußerst sehenswert.

Wie kommt man auf die Idee, ein 360-Grad-Video für den Bereich Selbstbehauptung/Selbstverteidigung zu produzieren?

Während unserer Labor-Phase, die neue 360-Grad-VR-Technik für das dokumentarische Erzählen im WDR zu testen, habe ich (Klaus) mich an mein Krav Maga-Training erinnert. Dort wird uns beigebracht, nach jeder Verteidigungsaktion gegen einen Angreifer den Rund-Um-Blick zu tätigen, ob nicht weitere Angriffe von der Seite oder von hinten drohen, um darauf reagieren zu können. Mir kam dann die Idee, beides miteinander zu verknüpfen: Menschen in virtuelle Gefahrenräume zu bringen, um ihnen Lösungsmöglichkeiten in der Selbstverteidigung, welche auf Krav Maga basieren, aufzuzeigen.

Wie lange hat die Produktion, von der Idee bis zum fertigen Video, gedauert?

Von der Konzeption bis zur Endproduktion ca. zwei Wochen. Der eigentliche Dreh dauerte sechs Stunden. Besonders viel Zeit wurde im Vorhinein darauf verwendet, die optimale Perspektive mit der Kameraposition abzustimmen, um die nötige Nähe herzustellen.

Welche Schwierigkeiten gab es?

Da es sich hier um eine neue Form der TV-Produktion handelt, standen wir vor einigen Herausforderungen. Wir haben mit einer 360-Grad-Kamera gedreht, die sechs einzelne Videos aufzeichnet, welche schließlich mit einer Computer-Software miteinander verknüpft werden müssen. So wird ein 360-Grad-Video erzeugt. Die Kamera war auf einem Helm angebracht, um eine Ich-Perspektive darzustellen. Die Personen sollten bei ihren Aktionen in die Kamera agieren. Die Angst-Räume an dem Parkplatz und der Bushaltestelle wurden nachgestellt, die Erklär-Szene fand während eines Krav Maga-Trainings statt.

VR-Brille

Mit Sascha Baumeister habt Ihr einen Krav Maga-Instruktor zur Mitarbeit gewinnen können. Was sagt ein erfahrener Praktiker zu dieser Form des Trainings?

Sascha reagierte positiv überrascht, wie nah und intensiv Situationen dargestellt werden können. Bisher nutzen wir im Training als Anschauungsmaterial lineare Videos z. B. eine mit Überwachungskameras gefilmte Szene eines Messerangriffs, um diese Situation hinterher praktisch zu trainieren. Da könnte der VR-Film einem als Teilnehmer noch mehr an Intensität der Bedrohung vermitteln. Allerdings glaube ich nicht, dass er die Praxis ersetzen kann, weil es immer noch ein Unterschied ist, ob ich real attackiert werde oder nur virtuell.

Euer Video zeigt einen kleinen Ausschnitt daraus, was ich in Gefahrensituationen zu beachten habe. Wo kann die weitere Entwicklung im Bereich der TV-Produktion mit dem Einsatz von VR-Technologien noch hinführen?

Eine weitere Entwicklung wäre es, in den programmierten VR-Bereich oder in die Augmented Reality (AR) zu investieren. Hier könnte man in der computergestützten Realitätswahrnehmung Interaktionen herstellen. So könnten Dinge im simulierten Raum bewegt werden oder Akteure könnten unterschiedlich auf unsere Aktionen reagieren und wir wiederum auf ihre. Das ist allerdings eine im Moment noch sehr teure Technik.

In einer Testphase habt Ihr das 360-Grad-Video Kolleginnen und Kollegen gezeigt. Wie waren die Reaktionen?

Das Erleben des Films über eine VR-Brille wurde bisher als sehr intensiv und nah beschrieben. Einige Zuschauerinnen rückten sogar in manchen Gefahrenszenen mit ihrem Stuhl vor dem Computer nach hinten, um der simulierten Gefahr aus dem Weg zu gehen. Die Besonderheit, dass der Zuschauer in einem 360-Grad-Video selbst bestimmt, in welche Richtung des Raumes er blickt, wurde von den Zuschauern durchgehend genutzt. Jeder Zuschauer hat den Film so auf seine eigene Weise verfolgen können.

Neben dem aktuellen 360-Grad-Video habt Ihr Euch bisher auch weiteren Themen angenommen. Was steht als nächstes an?

Bei unseren ersten Projekten wie z. B. eine Nazi Demo in Dortmund oder die Wohnträume junger Menschen wurde schnell deutlich, wo die Stärken dieser Erzählform liegen: nämlich, in der Nähe zum Geschehen sowie Atmosphäre und Stimmung schaffen. Bei unserer VR-Feuerwehr-Reportage haben wir festgestellt, dass es auch möglich ist, klassische Reportage-Erzählformen in diese Technik zu übertragen (siehe: https://www.youtube.com/watch?v=xYU2oDlyLTo). Außerdem haben wir die erste VR-Doku über Ausschwitz produziert – mit beeindruckenden Bildern, die einem nochmal ein anderes Erleben einer solchen Ausstellung ermöglicht. Aus pädagogischer Sicht für uns ein sehr interessantes Lernvermittlungsmittel (siehe: https://www.youtube.com/watch?v=QwC5d75iTcA, am besten mit einer VR-Brille angucken).

Fotos von Thomas Feldmann. Danke an Brit.